Jedes Jahr zur gleichen Zeit verlassen die Buckelwale der südlichen Hemisphäre ihre kühlen Futtergründe in der Antarktis, um von Juli bis Oktober in der Südsee ihre Jungen zu gebären und aufzuziehen, sowie um sich zu paaren. Das Ganze geschieht nicht auf offener See, sondern in geschützten, inselnahen Gewässern. Das Königreich Tonga ist hierfür eine wichtige Anlaufstelle, wobei die Wale insbesondere die Inselgruppe Vava’u im Norden aufsuchen. Hier bringen die Walkühe ihre Kälber auf die Welt und säugen sie für einige Monate. Sobald die Jungen stark und gross genug sind, ziehen die Wale wieder zurück in die Antarktis. Die Säugezeit in der Südsee versuchen die Walkühe, möglichst energiesparend zu verbringen. Denn im Fokus steht das Säugen der Kälber. Diese nehmen pro Tag 200+ Liter Milch zu sich und legen täglich bis zu 50kg zu. Was die Kälber zunehmen, nehmen die Walkühe ab, denn in der Südsee gibt es für die Wale kaum Futter. Die Walkuh verbringt mit ihrem Kalb daher viel Zeit ruhend an der Wasseroberfläche, was es ermöglicht, sich Walkühen mit ihren Jungen entsprechend zu nähern und diese zu beobachten. Dies ist an anderen Orten in der Südsee nicht möglich bzw. nicht erlaubt. Für ganze Regionen in Tonga hingegen ist das Schwimmen mit Walen seit Jahrzehnten der wichtigste Treiber für den Tourismus. Es ist auch in Tonga nur erlaubt, sich den Walen schnorchelnd an der Wasseroberfläche zu nähern. Tauchen ist wegen der irritierenden Luftblasen nicht erlaubt und die Boote dürfen sich den Tieren nur bis auf 100m nähern. Weiter sind die Anzahl Boote und Passagiere sehr beschränkt und streng reglementiert. Die meisten Boote werden weit im Voraus von Gruppen reserviert (von Film-Crews, Fotografen und Reisgegruppen). Für Individualtouristen bleiben daher nur wenige Optionen übrig. Wer einen der wenigen Plätze auf einem jener Walschwimm-Boote reservieren will, sollte dies ein Jahr im Voraus tun. So habe auch ich es gehandhabt, als ich mich entschieden habe, mir diesen Traum zu verwirklichen und für 2 Wochen nach Tonga zu reisen. Ich bin während meinen beiden Wochen allerdings nicht nur mit Walen geschwommen, sondern habe auch ein paar Tauchtage eingeplant.

Buckelwalkühe mit Kälbern

Der heilige Gral des Schnorchelns mit Walen und mitunter etwas vom Schönsten, was ich je erlebt habe, ist das Schwimmen mit einer Walkuh und ihrem Kalb. Nicht immer ist dies möglich. Teils hat die Walkuh keine Lust darauf und taucht mit ihrem Kalb in die Tiefe ab. Die Crews sind sehr erfahren und erkennen schnell, ob es möglich ist, mit einer Mutter und ihrem Jungen zu schwimmen. Bestenfalls hält sich die Mutter total entspannt mit dem Jungen an der Wasseroberfläche auf und lässt die Schnorchler bis wenige Meter heran. Ich konnte dies gleich mehrmals erleben, wobei ich das entspannteste Duo in verhältnismässig ruhigem Wasser mit sehr guter Sicht bereits an meinem zweiten Tag mit den Walen erleben durfte. Dabei entstanden diese drei Aufnahmen derselben Kuh mit ihrem Kalb aus verschiedenen Perspektiven:

Buckelwalkuh mit -Kalb

Buckelwalkuh mit -Kalb

Buckelwalkuh mit -Kalb

Was auf den Bildern nicht rüberkommt, ist die Grösse dieser Tiere. Das Kalb ist erst wenige Wochen alt und man könnte meinen, es sei klein und fein. Verhältnismässig ist es das zwar auch, doch sind Buckelwalkälber bei ihrer Geburt bereits 4-6m lang und wiegen bis zu 2 Tonnen. Ein ausgewachsener Buckelwal wird 12-16m lang und wiegt bis zu 40 Tonnen. Der Grössenvergleich mit einem 40-Tönner, wie sie auf unseren Strassen rumfahren, liegt also auf der Hand. Die Grösse und Kraft dieser Tiere wird einem erst so richtig bewusst, wenn man bis auf einige Meter an sie ran kommt. Mit diesen sanften Riesen im Wasser zu sein, ist unbeschreiblich schön, gleichzeitig aber auch imposant und Ehrfurcht einflössend. Der Mensch ist im Vergleich so ein kleines, schwaches Wesen und dennoch in der Lage, gegenüber Tier und Natur sowie auch sich selbst gegenüber in vielerlei Hinsicht alles falsch zu machen. Ich bin wegen dieser Erfahrung nicht zum Philosophen mutiert, doch hat es mir einmal mehr aufgezeigt, wie schön und friedlich die Natur ist, während der Mensch oft nichts Besseres weiss, als alles kaputt zu machen.

Nicht alle Walkühe mit ihren Kälbern, die ich erleben durfte, befanden sich an der Wasseroberfläche. Einige Male lag die Mutter ruhend auf ca. 10m unten, während das Kalb alle paar Minuten zum atmen an die Wasseroberfläche kam (die Jungen müssen noch öfters atmen, als die Erwachsenen). Die Kälber sind oft verspielt und drehen sich bei ihren Atempausen um die Längsachse oder schlagen mit der Schwanzflosse auf die Wasseroberfläche. Dies alles unter Beobachtung der Mutter von unten. Von einem Kalb sind mir diese beiden Aufnahmen gelungen:

Buckelwalkalb

Buckelwalkalb

Eine andere Walkuh mit ihrem Kalb hielt dieses zunächst unter ihrer Seitenflosse geschützt, als wir zu ihnen hin schwammen. Erst nach ein paar Minuten, als die Walkuh sicher war, dass wir ihr und ihrem Kalb nichts Böses wollen, liess sie das Kalb hervor kommen. Dieses schwamm zu uns ran, um uns zu mustern, schwamm wieder zur Mutter zurück und kam danach immer wieder zu uns. Ein grossartiges Erlebnis!

Buckelwalkuh mit -Kalb

Buckelwalkuh mit -Kalb

Buckelwalkuh mit -Kalb

Eine Walkuh schaut fast immer, dass ihr Kalb irgendwo in der Nähe ihres Kopfes ist. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus, denn so sieht die Walkuh gleichzeitig das Kalb und allfällige „Eindringlinge“. Nähert sich dem Paar ein anderer Wal oder ein potenziell gefährliches, anderes Tier oder sogar ein Boot, manövriert sich die Walkuh zwischen das Kalb und den Störefried. Dank den beiden Seitenflossen, die i.d.R. ca. einen Drittel der Körperlänge erreichen, sind Wale extrem wendig und können solche Manöver sehr schnell durchführen. Teilweise kommt es auch vor, dass eine Mutter ihr Junges von unten stützt und dieses so an der Wasseroberfläche hält. Die Kälber sind anfangs noch nicht selber in der Lage, über längere Zeit an der Wasseroberfläche zu verweilen und dabei stetig zu atmen.

Buckelwalkuh und -Kalb

Ein anderer Schnorchler hat mich beim Fotografieren dieses Duos aufgenommen und mir dieses Foto zur Verfügung gestellt:

Andy mit Buckelwalkuh und -Kalb

Sehr oft ist eine Walkuh nicht mit Ihrem Kalb alleine unterwegs, sondern wird von einem sogenannten Escort begleitet. Dabei handelt es sich entweder um einen Bullen, der bei der Walkuh zu landen hofft oder um eine ältere Walkuh, die selber keine Jungen mehr zur Welt bringt. Die Escorts sind gewissermassen die Bodyguards, wobei sie sich meistens im Hintergrund aufhalten. Nicht selten sieht man sie unter Wasser gar nicht, kann vom Boot aus aber beobachten, dass 2 verschiedene Erwachsene zum Atmen an die Oberfläche kommen. Bei einer Mutter mit ihrem Kalb hielt sich der Escort nicht im Hintergrund auf. Das Trio war ständig in Bewegung und wir konnten 2-3 Male ein paar Dutzend Meter vor ihnen ins Wasser springen und sie beim Vorbeiziehen beobachten. Dieses eine Mal befanden wir uns in sehr seichtem, nur wenige Meter tiefem Wasser, als die 3 Wale direkt auf uns zu schwammen. Der Escort (rechts) kam direkt unter mir durch und ich spürte die Wasserverdrängung des Giganten. Noch nie zu vor habe ich mich so klein und schwach gefühlt, denn mir wurde auf sehr eindrückliche Art und Weise sofort klar, dass ein solcher Wal einen Menschen mit einem Schwanzhieb augenblicklich töten könnte, würde er dies wollen. Die Grösse und Kraft dieser Tiere ist unvorstellbar. Wohl einer der intensivsten Momente meines Lebens.

Buckelwalkuh und -Kalb mit Escort

Singende Buckelwalbullen

Entgegen der allgemeinen Auffassung, Wale kommunizieren alle miteinander durch ihren Gesang, sind es nur alleinstehende Männchen, die singen. Es gibt verschiedene Theorien, weshalb sie dies tun, ganz sicher weiss man es aber nicht. Es könnte zur Kommunikation untereinander sein oder um Weibchen anzulocken. Ich habe insgesamt 3 „Singer“ angetroffen, wobei der Erste gleich der allererste Buckelwal war, den ich sah. Er sass regungslos auf etwas über 10m in der Tiefe und sang vor sich hin. Im Vorfeld stellt man sich in einer solchen Situation einen schönen, harmonischen Gesang vor. Soviel vorweg, es ist nicht wahnsinnig harmonisch, dafür ist es laut. Sehr laut sogar. Direkt über dem Wal schwimmend vibrierte mein Brustkorb von dem basslastigen Gesang. Das Video taugt nichts, daher hier nur der Ton:

Anhand der beiden anderen Buckelwalbullen, die ich auch noch zu hören bekam, lernte ich, dass jeder Buckelwalbulle ein anderes Lied singt. Dieses wiederholt er laufend und unterbricht seinen Gesang nur jeweils kurz, um an der Wasseroberfläche zu atmen, ehe er wieder abtaucht um weiter zu singen.

Rifftauchgänge in Vava’u

Während der Buckelwalsaison dreht sich in Vava’u, Tonga alles um die Meeressäuger. Vor- und nachher herrscht generelle Off-Season, denn viele Touristen zieht es ausserhalb der Walsaison nicht hierher. Aus diesem Grund wird auch nicht allzu viel Wert auf das Tauchen gelegt. Ich hatte während meiner Zeit in Vava’u sogar den Eindruck, dass das Tauchen nur als Lückenfüller für diejenigen Gäste angeboten wird, die nicht für alle Tage ihres Aufenthaltes einen Platz auf einem der Walschwimm-Boote ergattern konnten. Die angefahrenen Tauchplätze sind alle nett und der Zustand der Riffe ist generell sehr gut. Tonga ist hinsichtlich Korallen und Makroleben viel interessanter als Französisch-Polynesien, wo ich ein paar Tage zuvor noch getaucht war. Was aber zu wünschen übrig lässt, ist der Fischreichtum, denn allzu viele Fische sieht man hier nicht. Auf Haie und grosse Fischschwärme hofft man grösstenteils vergebens, obwohl es das in dieser Gegend alles geben muss. Es dürfte mit der Auswahl der Tauchplätze zusammenhängen, denn die Tauchplätze sind allesamt in geschützten Buchten oder an strömungsabgewandten Stellen. Würde an exponierteren Stellen getaucht, wo es strömt und die Bedingungen etwas anspruchsvoller sind, dürfte auch dieser Wunsch erfüllt werden. Die Guides haben meine Theorie nicht verworfen, waren selber aber alle auch nie an anderen Plätzen tauchen. Sie kommen nur für die Walsaison nach Tonga, tauchen da 3-4 Monate und gehen danach wieder zurück nach Neuseeland oder Australien. Sprich das Potenzial für anspruchsvolles und interessantes Tauchen ist zwar da, wird aber bis dato nicht gefördert.

Selbstverständlich habe ich den Kopf nicht in den Sand gesteckt, sondern meine Tauchgänge auch so genossen und die Zeit unter Wasser vor allem für die Suche nach interessanten Kleintieren genutzt. Dabei habe ich ein paar schöne Fotosujets gefunden.

Riesenmuräne mit Gebänderten Scherengarnelen
(engl. Giant Moray Eel with Banded Cleaner Shrimps)

Muränen mit Putzergarnelen konnte ich in den letzten Jahren zwar schon ein paar Male fotografieren, war aber nie zufrieden mit den Resultaten, hatte das Sujet permanent im Kopf und wartete nur auf eine gute Gelegenheit für einen perfekten Shot. Endlich war es also soweit. Zwei Gebänderte Scherengarnelen befreien eine Riesenmuräne von Parasiten, Hautschuppen und Pilzen:

Riesenmuräne mit Gebänderten Scherengarnelen

Federstern-Garnele
(engl. Feather Star Shrimp oder Crinoid Shrimp)

So viele Federsterne, wie ich in Tonga gesehen habe, habe ich zuvor noch nie gesehen. Wo es Federsterne gibt, findet man mit etwas Glück auch äusserst gut getarnte, winzig-kleine Federstern-Garnelen, die sich darin verstecken. Die Federsterne können alle möglichen Farben haben, genau so wie auch die Garnelen, denn diese passen farblich immer perfekt zu ihrem Wirt. Die Federstern-Garnelen sind selten grösser als 1cm, werden offenbar aber bis zu 3cm inkl. ihren Scheren gross. Wegen ihrer perfekten Tarnung sind diese Garnelen besonders schwer zu finden. Schon einige Male ist es mir passiert, dass ich eine solche Garnele gefunden habe, kurz weg geschaut habe, um die Aufmerksamkeit von jemandem zu erhalten und sie danach nicht mehr finden konnte.

Federstern-Garnele

Federstern-Garnele

Drahtkorallengarnele (engl. Zanzibar Whip Coral Shrimp)
Die Drahtkorallengarnele ist eine weitere, winzige Tarnungsspezialistin. Sie wird max. 1.5cm gross und lebt in symbiotischer Beziehung auf Drahtkorallen. Die Riffe in Tonga beherbergen viele dieser Korallen und auf manchen davon finden sich solche Garnelen. Diese beiden Exemplare tragen beide Eier:

Drahtkorallengarnele

Drahtkorallengarnele

Kamm-Languste (engl. Spiny Lobster)
Eine Kamm-Languste sitzt gut geschützt vor Fressfeinden in einer Spalte. Kurz nach dem Foto hat sie sich blitzartig nach hinten in ein Loch verkrochen. Wenn ein Fressfeind naht, bringt sie sich mit genau dieser Rückzugstaktik in Sicherheit.

Kamm-Languste

Indischer Rotfeuerfisch (engl. Common Lionfish)
In der Karibik stellen Feuerfische ein echtes Problem dar, da sie invasiv sind (natürlich von Menschen eingeschleppt), keine natürlichen Feinde haben und sich daher ungesund stark und schnell vermehren können. Andernorts wie im Roten Meer, dem Indischen Ozean sowie in der Südsee kommen sie in gesunden Masse vor und sind Teil des normalen Rifflebens. Diese wunderschönen Fische besitzen Giftstacheln auf ihrem Rücken, die zu schmerzhaften Verletzungen führen können. Ein Vorfall ist allerdings sehr unwahrscheinlich, da sie die Stacheln nur zur Verteidigung einsetzen. Als Mensch müsste man also drauf treten, drauf sitzen oder drauf hauen. Nichts davon würde wirklich Sinn machen… 🤔

Indischer Rotfeuerfisch

Weissaugenmuräne und Sternfleckenmuräne
(engl. Greyface Moray Eel and Snowflake Moray Eel)
Es ist nicht unüblich, dass verschiedene Muränenarten zusammen in einer Höhle sitzen. Diese beiden Arten sind zwar nicht super rar und geografisch beide ziemlich weit verbreitet aber dennoch sieht man sie nicht jeden Tag und schon gar nicht zusammen in einem Versteck sitzend. Beide Arten sind relativ klein und bleiben ausgewachsen deutlich unter 1m Länge.

Weissspitzen-Riffhai (engl. Whitetip Reef Shark)
Über den Weissspitzen-Riffhai habe ich auf diesem Blog schon mehrmals geschrieben. An diesem spezifischen Hai habe ich vor allem deshalb Freude, weil ich damit in Tonga doch noch einen Hai sehen konnte 🦈👌

Weissspitzen-Riffhai

Inselgruppe Vava’u

Die Inselgruppe Vava’u liegt rund 300km nördlich von der Inselgruppe Tongatapu entfernt, auf welcher sich die Hauptstadt Nukuʻalofa befindet. Vava’u umfasst 34 Inseln, wobei das Ganze von oben sehr verwinkelt wirkt (siehe Google Maps »). Überall, wo das Wasser tief genug ist, kann es potenziell Wale haben. So habe ich beispielsweise an einem heiligen Sonntag (in Tonga steht dann jeweils die Welt still), Wale unweit vor meiner Unterkunft aus meiner Hängematte raus beobachten können. Vom höchsten Punkt auf Vava’u, dem 131m hohen Mt Talau kann man sich das Labyrinth aus Inseln anschauen:

Blick Richtung Nordosten auf Taoa (links), Neiafu (Mitte) und Utulei (rechts)

Inselgruppe Vava'u

Blick Richtung Utungake im Südwesten

Inselgruppe Vava'u